Trocken! Was nun?


Man hält es nicht für möglich. Ein Alkoholiker hat ein echtes Zeitmanagement betrieben. Wenn so mancher Projektmanager die Zeit so perfekt einteilen kann wie ein Alkoholkranker Mensch dann würde ich Ihn heute in meinem Team bei der Arbeit nehmen.








Ich erinnere mich heute noch sehr gut daran, was ich alles gemacht habe, um pünktlich beim Geschäft zu sein oder an die zahlreichen Gefahren ich gedacht habe nicht erwischt zu werden. Sogar jegliches Risiko nicht an eine Flasche zu kommen wurde berechnet und mit kalkuliert. Ich wusste immer ganz genau wo noch eine Flasche versteckt war und wo ich noch Geld versteckt hatte, um die nächste Flasche zu kaufen.

In meiner schlimmsten Zeit stand ich schon um 4 Uhr auf und habe mein Geld zusammengekratzt, einen Kaffee getrunken und mit dem ersten Bus losgefahren. In meinem Heimatort konnte ich nicht mehr ins Geschäft gehen, weil mich da schon jeder kannte. Deswegen musste ich ein Stück mit dem Zug fahren in die nächste Stadt, wo gleich neben dem Bahnhof die Billa, Spar oder eine Tankstelle war. Geschickt habe ich die Geschäfte täglich gewechselt, damit nicht der Anschein entstehen konnte ich kaufe jeden Tag was.

Also, kurz um gesagt, ich hatte ziemlichen Stress mit der Organisation von Alkohol. Auch das Entsorgen der Flaschen musste durchdacht sein und wohlüberlegt. Es könnte ja sein das man zu viele Flaschen an derselben Stelle entsorgt.

Was ist, wenn jemand die Flasche oder Flaschen Nachschub bei mir zu Hause findet? Wo könnte ich etwas verstecken, dass es niemand schnallt? All das kostet Zeit!

Doch was, wenn wir mit dem Trinken aufhören? Was wenn wir auf einmal überschüssige Zeit zur Verfügung haben? Was machen wir mit den Stunden, die wir zuerst dem Alkohol gewidmet haben?
Als ich mit dem Trinken aufhörte war es schlimm. Ich rannte im Zimmer hin und her und wusste absolut nicht wie ich die Zeit totschlagen sollte. Meinen Job hatte ich ja wegen der Trinkerei verloren. Freunde hatte ich nicht wirklich. Die meisten Menschen rund um mich haben ich schon gemieden.

Also habe ich geraucht wie ein Wahnsinniger. Und ich habe stundenlang Fernsehen geguckt. Ich wollte einfach nicht mehr Alkohol trinken. Da war mir jeder Zeitvertreib recht.
Ich fing sogar an ein Tagebuch zu schreiben und habe auf Facebook die Gruppe „Alkohol und Folgen“ gegründet. Es half mir die Zeit damit zu vertreiben mit anderen Alkoholkranken zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.
Es hat schon eine gewisse Zeit gedauert, dass ich wieder alleine auf die Straße ging, um Luft zu schnappen. Ich hatte noch immer Angst, dass mich die Lust nach Alkohol verrückte Dinge machen lässt.

Nach 3 Monaten und 20 Tagen, habe ich dann angefangen dieses Buch zu schreiben. Es hat mir die Zeit vertrieben meine Gedanken zu Papier zu bringen. Irgendwie hat es mich auch befreit meine Gedanken loszuwerden. Ich schrieb und schrieb in der Freizeit, die ich hatte. Ich erinnere mich heute noch, dass ich zu dieser Zeit bereits meine Langzeit Therapie in Bad Hall machte.

Nach und nach fand ich mir immer mehr Dinge, die ich machen konnte, ohne an Alkohol zu denken. Natürlich hat mir auch meine Freundin geholfen, mit der ich immer wieder etwas unternommen hatte.
Und dass, so sehe ich es heute war der Grundstein mir wieder ein Leben aufzubauen. Durch das schreiben meiner Geschichte, den unzähligen SHGs die ich besucht habe, den ständigen Gedanken daran wie es war ein hoffnungsloser Fall zu sein wurde meine Abstinenz gefestigt. Und ich fand 100 Sachen, die ich anstatt dessen machen kann.

Lebensqualität ist ein schönes Wort, ein sehr schönes sogar. Doch man hat sie nicht, wenn man trinkt. Man kann sie durch Abstinenz wieder schaffen und sogar wiederum sein Umfeld dazu bringen einem zu Vertrauen. Doch es ist ein langer Weg und nicht einfach.

Aber wenn man ehrlich ist, dann war der Weg zum Alkoholiker auch ein längerer Weg. Man ist nicht von heute auf Morgen Alkoholkrank.

Die Zeit, die man verloren hat durch das perfekte Alkoholmanagement, kann einem niemand mehr zurückgeben. Diese Zeit ist weg und die Enttäuschungen wurden gemacht. Jedoch kann die Zeit, die uns dann noch bleibt, echt schön und erfüllend sein.

Ich wünsche jedem diese Lebensfreude wieder zu erlangen und sich aus den sinnlosen Drang nach Alkohol zu befreien.


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